Wie Gewerkschaftsarbeit an die Wand gefahren wird

Ich bin gerne Gewerkschafter, ich bin auch gerne Sozialdemokrat, aber an manchen Tagen machen sie es mir schon sehr schwer, dass ich beides bleibe, vor allem gerne.

Gewerkschaftliche Arbeit sollte in meiner idealen Welt so aussehen: In einer Branche arbeiten viele Menschen. Vor Ort gibt es ein paar, die laut sagen, dass die Arbeitsbedingungen besser werden müssen. Die Fachgewerkschaft sieht den Bedarf, sendet ein paar Mitarbeiter:innen in die Betriebe, argumentiert „warum ein Beitritt zur Gewerkschaft sinnvoll ist, wieso ein Betriebsrat zu gründen ist, …“, kommt vor Ort ins Gespräch. Die guten Argumente fallen auf fruchtbaren Boden, es kommt zu einer Vernetzung der Betriebe, zu einem Anstieg von Mitgliedern in der Fachgewerkschaft, es entstehen Betriebsrats-Gremien, in der Gewerkschaft wird eine Fachgruppe eingerichtet, ein Kollektivvertrag entsteht, den Kolleg:innen in den Betrieben geht es besser.

Wenn Betriebe in unterschiedlichen Fachgewerkschaft beheimatet sind, aber Betriebsteile derselben Branche haben, gibt es eine Vernetzung über Fachgewerkschaftsgrenzen hinaus. Gemeinsam stimmt man sich ab, die Bewegung wird größer, es entsteht über viele Betriebe eine Aufwärtsspirale, alles ist gut.

Über die Ideale der Sozialdemokratie könnte ich jetzt Ähnliches schreiben, wie Werte vermittelt werden, Mitglieder gewonnen, Verbesserungen entstehen, …

Sozialdemokratie und Fachgewerkschaften waren immer in einer harmonischen Abstimmung. Bevor Taten gesetzt wurden, gab es zumindest Information. Von Gewerkschaft zu Partei, von Partei zu Gewerkschaft, alle hatten Anstand und kannten das Procedere.

Nun gibt es in Österreich eine Branche, die ganz anders ist: Die Elementarpädagogik.

Ein größerer Teil der Kindergärten ist im Einflussbereich der Gemeinden. Laut einem Artikel vom Kurier aus dem März 2022 sind es 57%, in Wien weniger (da sind es laut Artikel 72% private Betreiber:innen). Viele private Kindergärten sind bei großen Betrieben angesiedelt, zum Beispiel der Caritas, Diakonie, oder in Wien Kinderfreunde und KIWI.

Diese großen Unternehmen betreuen sicher mehr Kinder als die vielen kleinen Gruppen, die von Vereinen betrieben werden, vielleicht nur eine Gruppe haben, who knows. Dafür sind drei Fachgewerkschaften zuständig. Die Younion auf Seite der Gemeinden, die vida mit einigen Betreiber:innen und die GPA – in Wien mit den Kinderfreunden und KIWI sowie vielen kleinen Betrieben.

Und jetzt geht es los. Die Gemeindebediensteten haben ihre Vertragsbedienstetenordnung, die kirchlichen auch, der Rest nicht, ob bei der vida oder der GPA. Da wird die Bezahlung über einen Mindestlohntarif, ausverhandelt beim Bundeseinigungsamtes beim Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, geregelt, viel Rahmenrecht gibt es nicht.

Was es aber gibt, ist Solidarität mit anderen Branchen. So vernetzten sich durch die gute Arbeit der Fachgewerkschaften, deren Funktionär:innen und der Betriebsrät:innen immer wieder Bildung mit Pflege und anderen. Gemeinsam wird auf der Straße für den Sozialstaat gekämpft. Naja, fast gemeinsam, denn die Younion steht da drüber – die machen halt ihr eigenes Ding. Und was für ein Ding!

Da kommt einer der obersten Gewerkschafter der UNION und sagt, wir brauchen die kleinen privaten Betreiber:innen nicht, die Bildung muss bei den großen und vor allem den Gemeinden, in der öffentlichen Hand, sein. Und ich denk mir, was geht da ab?

Ich kenne dazu nur, was im ORF, der Presseaussendung und im Internet zu finden war. Doch das reicht mir schon. Denn sollte es vor der OTS-Meldung eine Abstimmung zwischen den Fachgewerkschaften gegeben haben, und vida und GPA haben hier nicht rebelliert, vielleicht sogar zugestimmt, dann zweifle ich doch sehr heftig an meiner Mitgliedschaft in der GPA.

Wenn die Younion die anderen Gewerkschaften nicht informiert hat, dann ist das eine zum Himmel stinkende Frechheit, denn dann wird die Arbeit im gesamten Sozialbereich gefährdet. Bei der Elementarpädagogik fängt es an, bei den Schulen, der Pflege, den Spitälern, … geht es weiter, oder wie? Wie kann ein Gewerkschafter die Betriebe und Mitglieder der anderen in Frage stellen, oder gar die anderen Fachgewerkschaften? Mich macht das sprachlos.

Viel mehr will ich dazu gar nicht schreiben. Die OTS und der Bericht auf ORF sind raus. Die Regierung der Konzerne lacht die Fachgewerkschaften aus, wird einen Scheiß machen, um die Situation im zuständigen Ministerium (ich bin mir nicht sicher, ob Susanne Raab überhaupt weiß, dass sie zuständig ist, denn seit Antritt der ReGIERung Kurz I hat aus der Ecke niemand irgendwie eine Verbesserung für die Elementarpädagogik gebracht) zu verbessern.

Nehmen wir den Konzernen die Milliarden weg, die sie als Coronahilfe, Steuerentlastung, Standortsicherung oder was auch immer bekommen haben. Nehmen wir noch mehr, indem wir die Gewinne besteuern, die exorbitant zu hohen Einkommen der CEOs mit 80% besteuern, die Steuerflucht verhindern. Stecken wir das Geld in den Sozialstaat, die Bildung, die Menschen.

Und machen wir bitte allen klar, wofür Gewerkschaften stehen, was ihre TOP-Leute leisten sollten und auf welcher Seite der Sozialpartnerschaft sie gemeinsam stehen sollen. Und als Sozialdemokraten erst recht.

Schreibt uns Eure Meinung, sendet Feedback, redet mit.

 

Ergänzung: Der betreffende Gewerkschafter hat einem persönlichen Gespräch bereits zugestimmt. Danach gibt es ein Update

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