Fluzeugträger, Atomwaffen – aber keine Beatmungsgeräte

Aktueller denn je ist eine dringende Debatte „WER in unserer Gesellschaft über die Produktion bestimmt“. In der Überschrift ist das Beispiel Frankreich aufgeführt, wo neoliberale Einsparungen im Gesundheitsbereich zu Gunsten der Profite der Rüstungsproduktion der Bevökerung nicht nur in den Kriegsgebieten das Leben kosten, sondern sie töten sogar zweimal, denn bei der Behandlung der Kranken fehlen lebenswichtige Geräte und Intensivbetten. 14 GewerkschafterInnen und/oder SozialdemokratInnen stellten sich die Frage

 

Wem gehört die Gesellschaft?

 

Die derzeitige gesellschaftliche Diskussion über Eigentum und dessen „Schutz“ zementiert die ungleiche Verteilung des Vermögens. Gleichzeitig erleben wir in den letzten Jahren europaweit eine Privatisierung der öffentlichen Infrastruktur, die sich unter anderem in desolaten Bahnnetzen, eingestürzten Brücken und der Schließung öffentlicher Einrichtungen manifestiert. Im öffentlichen Gesundheitswesen wird eingespart und Privatkrankenhäuser gefördert. Die börsennotierten Betriebe machen enorme Gewinne, schütten riesige Summen an Dividenden aus, suchen gleichzeitig um öffentliche Förderung an, verschieben das Geld steuerschonend und schaffen mehrheitlich prekäre Arbeitsverhältnisse. Karl Marx relativierte in seiner Moralkritik die Gerechtigkeitsfrage, weil für ihn die Verfügung über die Produktionsmittel das entscheidende Thema in einer kapitalistischen Welt ist. 

 


 

Bei diesem Seminar erforschten wir: Welche Formen der Handhabung der Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel gab es bisher? Im Eigenstudium bereiteten sich einzelne TeilnehmerInnen vor und bereiteten Inputs zu den Themen:

 

  • Eigentumstheorie
  • Selbstverwaltete Betriebe
  • Genossenschaften
  • Verstaatlichte
  • Vergesellschaftung
  • Planwirtschaft

 

Verstaatlichung

In diesem Artikel beschäftige ich mich hauptsächlich mit der Verstaatlichung. Dazu ist es notwendig eine kurze Übersicht in einem Schaubild über die drei wesentlichen, konzeptiven Wirtschaftsideen des 20. Jhdt. in Europa zu geben, die auch wesentlichen Einfluss auf politische Programme hatten.

Quelle – Prokla Heft 196/2019 – Seite 344 bis 351

Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaftsbewegung setzten nach dem Ersten Weltkrieg auf die „Sozialisierung“ der entscheidenden Wirtschaftsbereiche. Vertrauend auf das Wahlergebnis der ersten freien Wahl setzten sie auf eine Steuerung über die Instrumente des Staates.Schon damals zwei wesentliche programmatische Festlegungen der Sozialdemokratie, die ich für falsch halte.
Erstens das Festhalten am Kapitalismus an sich und der damit verbundenen Anerkennung der Kapitalisten und ungerechten Verteilung des Vermögens. Zweitens das Misstrauen in die ArbeitnehmerInnen und den damit verbundenen Selbstverwaltungsideen. Wilhelm Ellenbogen, als Leiter der Sozialisierungskommission spricht wörtlich davon, dass keine Aneignung von Produktionsmittel geplant sei. Hat sich bis heute gehalten und verschlimmert.
Dieses Zaudern rächte sich bereits nach einem Jahr, als man nicht mehr in der Regierung war. Auch die Idee der Vergesellschaftung, die von Otto Bauer favoritisiert wurde, hielt am kapitalistischen Wirtschaftssystem fest. Er wollte die Profite für Finanzierungsaufgaben des Staates abziehen und die BetriebsrätInnen an der Betriebsführung beteiligen. In der politischen Realität der Ersten Republik wollte der Kapitalismus bezüglich den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie, wie es der christlichsoziale Politiker Carl Vaugoin als Heeresminister formulierte:

„Die Sozialdemokratie wurde – Glied für Glied – zum Krüppel geschlagen“.

SN, 8.2.2014 Artikel von Helmut Schliesselberger

Motive für die Verstaatlichung nach dem Zweiten Weltkrieg

Aus der Tradition des Widerstands gegen den Faschismus, der mit den Finanzen des Kapitalismus (Thyssen, Krupp,usw…) finanziert wurde, gab es in der Sozialdemokratie revolutionäre Strömungen

…dafür zu sorgen, dass in unserem Vaterland der Kapitalismus von seiner Macht und seinem Einfluss enthront wird…

Krisch, SP-Abg.NR

Obwohl nach den desaströsen Zerstörungen nach dem Krieg viele Betriebe durch Eigeninitiative der ArbeitnehmerInnen wieder aufgebaut und erste Produktionen gestartet wurden, setzte die Sozialdemokratie in den Koalitionsregierungen bezüglich Verstaatlichung, wieder auf staatliche Strukturen, die oftmals wenig praktikabel und für die Entwicklung der Betriebe hinderlich waren. Dabei wurden Mitbestimmungsmöglichkeiten von BetriebsrätInnen de facto ausgehebelt.

Die Verstaatlichte war oft billiger Rohstofflieferant für die Privatindustrie, die ihrerseits fette Gewinne einschaufelten. Ihr Reichtum hält sich bis heute und vervielfältigt sich bis heute. Die ÖVP entmachtete in ihrer Zeit der ÖVP-Alleinregierung das Parlament bezüglich Verstaatlichte. Erst unter Kreisky 1970 wurde die ÖIAG gegründet und der Einfluss der BetriebsrätInnen gestärkt.
Der finale Kahlschlag der Verstaatlichten begann 1986 mit der sogenannten „Entpolitisierung der Verstaatlichten!“

Was kann das für uns bedeuten?

  • Infrastruktur, Wohnen, Bildung und Gesundheit gehört als erster Schritt der privaten Spekulation entzogen. Das bedeutet, dass die Produktionsfaktoren in öffentliche Kontrolle übergeführt werden müssen. Dazu braucht es Betriebs- und Verwaltungsstrukturen, wo es eine Direktwahl der Leitung und eine ausgebaute Mitbestimmungsstruktur der Beschäftigten gibt.
  • Ausbau der direkten Demokratie auch eine Auftrag an die Gewerkschaften und die Parteien. Es gilt die Kraft der Mitglieder und Menschen für die Gesellschaft nutzbar zu machen. Wer Angst vor Auseinandersetzung mit „Vielen“ oder vor kritischen Fragen hat, hat Angst vor der Demokratie. Dieser öffentliche Diskurs bietet den Menschen die Möglichkeit der Mitwirkung und Mitgestaltung. Wer in undurchschaubaren Strukturen entscheidet, spielt dem Kapitalismus in die Hände, weil er/sie die Mehrheit der Menschen aus den Prozessen ausschließt.
  • Es braucht den Mut und das Verantwortungsgefühl der „jüngeren Generation“ diese Schritte einzuleiten und dafür die Verantwortung zu übernehmen.


Zum Abschluss noch eine Information aus dem Seminar. Wir waren abschließend nach Diskussionen und Überlegungen der Meinung, dass die „demokratische Planwirtschaft“ ein erstrebenswertes Ziel sei. Weshalb und wieso – das ist einen weiteren Artikel wert.

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