Der Pandemiekurs der Regierung zwischen Populismus und Demokratie

In Pandemiezeiten haben Regierungen unterschiedliche Wege, die sie mit oder vielfach für die Bevölkerung einschlagen können. Dieser Artikel ist ein Versuch von mir, meine Überlegungen diverser Wochenendlektüren zu ordnen.  Ausserdem ist es ein Versuch, das „Scheitern“ der Regierung – vom Musterknaben zum Pandemieeuropameister – zu erklären. Ich versuche nachzuweisen, dass mit dem Politikverständnis der jetzigen Koalition gar kein anderes Ergebnis zu erwarten war.

Leugnen und Verschwörungstheorien strapazieren

Ein Weg den der US-Präsident am medienwirksamsten dargestellt hat. Trump hat die Pandemie ignoriert, herabgespielt und verharmlost. Mit dramatischen Folgen für die Bevölkerung, die 14,5 Mill. Infiszierte und 280.000 Tote zu ertragen hat. In manchen Tweets hat Trump auch Theorien bemüht , die von  Verschwörungstheoretikern rund um den Globus mit abstrusen Meinungen zur Schau gestellt werden. Ich werde den Verdacht nicht los, dass  hier berechtigter politischer Frust agiert und  gleichzeitig deren Hintermänner  diese Stimmung für ihr politisches Kleingeld nutzen. Der rechte politische Rand wie AfD, NDP, FPÖ, …  versucht sich verzweifelt anzubiedern.

Nach der ÄRA der rohen Bürgerlichkeit

ÖVP und FPÖ pflegten einen Politikstil mit glatter Stilfassade, rabiater Rhetorik und autoritären, aggressiven Einstellungen und Haltungen. Sie praktizierten einen „konservativen Umsturz“ mit rechtsextremen, bürgerlichen Politiker*innen und Intelektuellen gegen Demokratie, Parlamentarismus und emanzipatorischen Bewegungen. Ziel aller populistischen Bewegungen ist die Schwächung und Zerstörung aller Institutionen, die ihnen im Weg stehen, die permanente Abwertung anderer Parteien, des Sozialstaates und demokratischer Solidargemeinschaften. Villa und Video haben das beendet, wohin es führt, können wir in Ungarn sehen.

Welchen Weg geht die Regierungskoalition von ÖVP und den Grünen in der Pandemie?

Die ÖVP ist ja nicht anders geworden. Kurz, Blümel, Nehammer – allerdings mit den Grünen als Koalitionspartner. Wie agierten sie bei der ersten Welle der Corona-Pandemie?  Angstparolen, Ankündigungen, die so nicht stimmten, ein Innenminister Nehammer, der die Polizei zu verschärften und teilweise überzogenen Kontrollen öffentlich aufforderte. Die Gerichte mussten manchen verordneten  Humbug abstellen.

Gehorsame Untertanen oder solidarische Bürger*innen?

Ein Parteivorsitzender wie Kurz, der den Populismus quasi in den Genen hat, der seine ganzes Kabinett auf die beste Darstellung seiner Person getrimmt hat, wie soll der den „Draht“ zur solidarischen Bürger*in finden. Populist*innen nehmen für sich in Anspruch das Volk zu sein und suchen permanent nach Selbstbestätigung. Wenn Ereignisse eintreten, die man durch Inaktivität mitverschuldet hat, haben andere Schuld – Politiker*innen oder ganze Bevölkerungsgruppen. Kommt ihnen das bekannt vor?

Die Bewältigung einer Pandemie braucht ganz dringend solidarische Bürger*innen, die individuelle Verantwortung übernehmen. Es braucht gesamtgesellschaftliches Agieren in Organisationen, Institutionen, Gemeinden und Vereinen. Diesen Menschen muss die Notwendigkeit von Einschränkungen und persönlichen Freiheiten erklärt werden. Dazu ist ein Offenlegen der Fakten und Daten und Erklärungen notwendig.

Aber können Parteien, die nicht einmal den Dialog im Parlament suchen, die sich der öffentlichen Diskussion im ORF verweigern, einen Paradigmenwechsel ihres politischen Agierens einleiten?  Weshalb fürchtet sich die ÖVP vor der mündigen Bürger*in?

Dazu ist es notwendig ein paar Monate zurück zu schauen. Eine ÖVP, die politische Institutionen wie Gewerkschaften, Arbeiterkammer, Gebietskrankenkassen, Organisationen wie SOS-Mitmensch politisch torpetierte. Denn in  diesen demokratischen Organisationen steckt ein wichtiger Bestandteil der Demokratie – der WIDERSPRUCH und den halten Populisten nicht aus. Manche ORF-Interviews in der ZiB2 zeigen das deutlich trotz geschliffener Rhetorik. Es geht auch um die FREIHEIT  des Widersprechens, des Hinterfragens und um das gemeinsame Ringen um gesellschaftliche Strategien. Das ist oft mühsam, anstrengend aber unbedingt notwendig um gesellschaftliche Wirksamkeit zum Beispiel gegen eine Pandemie zu erreichen. Eine starke Gesellschaft, die auf diesen Prinzipien aufbaut, hält auch ein paar Verschwörungstheoretiker aus, das ist das Wesen der Demokratie.

Ermächtigung statt Entmachtung

Regierende haben die Verantwortung Strukturen im Gesundheitswesen, in der Bildung (UNI, Schule), in der Kultur, usw. zu schaffen, damit möglichst viele Menschen in ihrem Engagement gestärkt werden und sie Mittel und Wege zur Verfügung haben, diesem Virus entgegenwirken zu können. Vielfältige Beispiele des Scheiterns und der Versäumnisse der Koalition könnten hier angeführt werden.

Es gibt zahlreiche Beispiele von Politiker*innen, Betriebsrät*innen, Vereinsfunktionär*innen, Bürger*innen die Großartiges leisten. Sie besorgen Schutzkleidung, besorgen Masken, helfen betriebliche Abläufe zu optimieren, sorgen sich um Nachbarn. Wo sind die Initiativen der Regierung diese Menschen offensiv und öffentlich „ins Boot zu bekommen“?  Nur ein Beispiel: Es gibt tausende von Vereinen in Österreich, die Wichtiges und Großartiges leisten. Wieso werden sie nicht direkt angesprochen, wieso werden sie nicht  persönlich von der Regierung mit Informationen und Fakten versorgt und ersucht in ihrem Wirkungsbereich mitzuhelfen?

Weil Beteiligung und Einbinden von Menschen, die widersprechen und hinterfragen nicht zu den „Genen“ der ÖVP und dieser Koalition passen. So traurig es ist – den Pandemieeuropameister haben wir bei der letzten Nationalratswahl gewählt. Es liegt an uns, dies zu ändern und gesunde Politik zu machen.

 

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